Wohin des Weges – Die FU Berlin im Wandel

Sep
2009
04

posted by on Deutsch, Livin' my Life, National, Uni

Moin alle zusammen,

nachdem ich vor kurzem einen sehr interessanten Artikel über die FU Berlin in der ZEIT gelesen habe, hier mal eine kleiner Kommentar dazu. In dem Artikel von Anja Kühne unter dem Titel „Wie sich die FU Berlin neu erfindet“ geht es vor allem um die Frage, wie die Universität damit umgeht, nun „Elite-Uni“ zu sein und welche Konflikte das hervorruft. Der Artikel ist meiner Meinung nach recht ausgewogen geschrieben und lässt beide Seiten gut zu Wort kommen. Die eine Seite besteht dabei aus denjenigen an der Uni unter Führung des Präsidenten, die Uni in Richtung einer Unternehmensuniversität ausbauen wollen. Die andere Seite wendet sich gegen diese zunehmende Ökonomisierung der Universität und sieht die Freiheit der Lehre und Forschung gefährdet.

Im Gegensatz zu meinem Engagement an der Universität Bremen, wo ich vorher studiert habe und aktives Mitglied nicht nur in der Fachschaft Politik war sondern mich auch in universitären Gremien mit der Entwicklung der Uni beschäftigt habe, ist dies in Berlin nicht der Fall. Dies liegt wohl mit daran, dass ich nun als Master-Student mit nur 14 Anderen zusammen studiere, wir unsere Probleme immer direkt klären können und ich mich auch irgendwie nicht ganz so der FU verbunden fühle, wie zuvor der Bremer Uni. Das hört sich vielleicht komisch an, ist aber so. Vielleicht auch, weil ich nur 2 Semester „richtig“ an der FU studiert habe, nun nach Indien gehe und danach auch schon meine Masterarbeit schreibe, mich also gar nicht mehr groß an der Universität aufhalten werde. Dennoch sehe ich die grundsätzliche Problematik schon. Im kleinen ist es das, was ich schon in Frankreich bekämpft habe: Durch externe Einflüsse (in diesem Fall die Exellencz-Initiative) wird in der Forschung die Richtung vorgegeben und die Lehre kommt zu kurz. Wenn sich dann die renommierten Professoren hinstellen und stolz behaupten, dass sie doch auch 6 oder 9 Stunden pro Woche Lehren würden, dann fragt man sich schon, ob da die Balance noch stimmt. Natürlich ist es wichtig, dass auch an der Universität geforscht wird. Doch sind nicht vielfach auch und im Besonderen aus der Politik immer die Klagen zu vernehmen, dass das Bildungssystem verbessert werden muss? Wenn da von Bildungssystem die Rede ist, dann ist damit nicht die Forschungsleistung gemeint. Vielmehr geht es darum, den Studenten die Möglichkeit zu geben, ihr Studium unter den best-möglichen Bedingungen absolvieren zu können, damit sie später auch die Stütze der Gesellschaft werden, die von ihnen erwartet wird.

Wenn in einem Bachelor das Curriculum des Diplom einfach in 2 Semestern weniger gelehrt wird und die Lehre dabei vielfach von Wissenschaftlichen Mitarbeitern (ohne deren Qualität per se herabsetzen zu wollen) durchgeführt wird, dann ist es berechtigt zu fragen, wie man nach 6 Semestern mit diesem so genannten „berufsqualifizierenden“ Abschluss auch wirklich einen guten Job finden soll. Wer nun argumentiert, dass man ja einen Master machen könne, verkennt die Universitären Realitäten. So haben weder Politik noch Universität den Anspruch, allen Bachelorstudenten auch Masterplätze zur Verfügung zu stellen. Wenn ich mich richtig entsinne, war man in Bremen froh, die Quote von 30% möglich zu machen. Das führt dann nicht nur dazu, dass weniger Studenten mit dem Master ihr Studium abschließen als vorher mit Diplom, sondern auch, dass viele Studierende einen Master studieren, der gar nicht ihren Interessen entspricht. Das dieser dann doch studiert wird, liegt auch daran, dass in der Wirtschaft der Bachelor (sicher auch nicht ganz zu unrecht) nicht als vollwertiger Abschluss angesehen wird. Einen großen Anteil daran haben auch die Medien, wenn sie vom „Schmallspur-Studium“ und ähnlichem sprechen. Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht gegen das Bachelor-Master System an sich, denn ich denke, dass es auch zahlreiche Vorteile hat. Sehr wohl aber sehe ich die vielen Probleme, die die Umsetzung einer zu kurz gedachten Reform der Abschlüsse mit sich gebracht haben. Ich will zwei Beispiele bringen.

Wer von der besseren Vergleichbarkeit der Abschlüsse redet, irrt gewaltig. Ja, im Bachelor zählen alle Noten die man irgendwann mal schreibt, die Gewichtung dieser Noten bleibt aber Hochschulinternen bzw. vielfach sogar Institutsinternen Kriterien überlassen. Noch deutlicher wird dies beim Thema Nachschreibeklausuren. Während an manchen Unis die Möglichkeiten bestehen, Klausuren bis zu drei Mal nachzuholen bis einem die Note passt (verschlechtern kann man sich nicht), gibt es an anderen Unis diese Möglichkeit nicht. Wer besteht und sei es mit 4.0, der hat diese Note in seinem Bachelorzeugnis stehen. Punkt! Das der Abschluss eines Studenten, der beliebig oft seine Prüfung wiederholen und den Schnitt dadurch verbessern kann, wesentlich besser ist, als wenn diese Möglichkeit nicht gegeben ist, liegt auf der Hand. Noch viel krasser ist das Argument der „internationalen Vergleichbarkeit“ der Abschlüsse und der besseren Mobilität. Wie unterschiedlich Universitäten funktionieren, lässt sich am Vergleich Deutschland-Frankreich festmachen. Während in Deutschland das gesamte Notenspektrum ausgenutzt wird (1,0 – 6,0), ist dies in Frankreich undenkbar. Wer im Französischen Notensystem (20-0) 15 Punkte erreicht, hat den Jackpot gewonnen – drüber geht’s selten, 12 Punkte sind schon gut. Wer weniger als 10 hat, ist durchgefallen. Wer also die gleiche Leistung in Frankreich und in Deutschland erbringt, kann hier eine 1,3 bekommen, in Frankreich 12 (gute) Punkte – also eine 2,0. Interessanter Weise hat sich die französischen Wirtschaft darauf eingestellt. Da geht es weniger um die Noten, sondern vielmehr darum, DASS man einen Abschluss hat und noch viel stärker, von welcher Hochschule man kommt. Wer darüber hinaus das Argument der Mobilität nennt, verkennt den Druck, unter dem die Studierenden im Bachelor ihre Studienleistungen erbringen müssen. Natürlich machen die so genannten Credit-Points Länder-übergreifend eine Anerkennung der Studienleistungen möglich, doch besteht die Möglichkeit überhaupt, ins Ausland zu gehen? Während ich an der Universität Bremen das Glück hatte, recht flexibel studieren zu können, viele Prüfungen vorgezogen und mir somit Zeit „freigeschaufelt“ habe, ist dies an anderen Unis nicht vergleichbar möglich. Das – oben schon angesprochene – vollgestopfte Curriculum erlaubt es den Studierenden nicht mehr, ohne Zeitverlust ein oder zwei Semester an einer anderen Hochschule zu studieren. Wer aber 2 Semester länger studiert, ist nicht mehr in der „Regelstudienzeit“. Während diese früher realistisch an die Zeit angepasst wurde, die die Diplomanten brauchten, ist diese Flexibilität nicht mehr vorhanden. Ein Bachelor hat 6 Semester, ein Master 4. Wer drüber ist, muss sich erklären.

Gut, nachdem ich nun etwas von der FU-internen Diskussion abgeschweift bin, verweise ich lieber auf der ZEIT Artikel und das nachfolgende Video. Dabei handelt es sich um eine studentische Gegendarstellung zum FU-Imagefilm. Der Imagefilm blendet die kritischen Fragen aus und zeigt nur die „funktionierende“ Seite der FU. Der unten eingebundene Film versucht dieses Bild etwas zu korrigieren – dabei ist er natürlich ebenso einseitig wie der Imagefilm selbst. Daher empfehle ich erst den ZEIT Artikel zu lesen um einen Ãœberblick über die Gesamtdiskussion zu erhalten und sich dann den – trotzdem sehr sehenswerten – Film anzugucken.

Liebe Grüße und weg,

euer Strothi

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