Leseempfehlungen

Okt
2009
26

posted by on Deutsch, Livin' my Life, Random Stuff

Moin,

hier mal eine kleine Auswahl von Leseempfehlungen. Die drei Texte sind wirklich lesenswert und auch wenn einen das Thema selbst vielleicht nicht so interessiert, solltet ihr euch die Zeit nehmen, ein oder zwei davon zu lesen.

1. „Man muss härter sein als ich“ - Interview mit Sebastian Deisler

Im März 1999 heißen die Nationalspieler nicht Netzer oder Seeler, sondern Jeremies und Jancker. Franz Beckenbauer nennt sie »Rumpelfüßler«. Die Nationalelf spielt erfolglos, Deisler wird zur Projektionsfläche für viele enttäuschte Hoffnungen. 26 Vereine aus ganz Europa bieten um ihn, darunter der FC Barcelona, Real Madrid und der AC Mailand. In einem seiner ersten Interviews sagt Deisler: »Manchmal kann einem das Angst machen.«

Selten habe ich ein so eindringliches und offenes Interview gelesen. Sebastian Deisler ermöglicht dem Leser ein Einblick in seinen Gefühlshaushalt. Das ist nicht nur interessant, wenn man sich für Fussball interessiert, sondern zeigt auch sehr eindringlich wie unsere Gesellschaft funktioniert. Insbesondere der vielfach unreflektierte Umgang mit Menschen, die einer enormen Erwartungshaltung von so vielen anderen ausgesetzt sind, wird zurecht kritisch betrachtet.

2. Zu Besuch bei der Großmeisterin der Boshaftigkeit

Es ist im Übrigen meine Erfahrung, dass die Männer Gott sei Dank gutmütiger sind. Frauen sind fast alle boshaft

So genau weiß ich nicht, warum ich diesen Artikel angeklickt habe, aber ich bin froh, dass ich es getan hab. Diese „Homestory“ über Brigitte Kronauer, die die Eindrücke eines Interviews beschreibt, ist erstaunlich interessant geschrieben. Ich mag Texte, die dem Leser vermitteln, er würde mit im Raum dabei sitzen. Der Text schafft es, nicht nur einen Blick auf die – mir bis dato unbekannte – Autorin zu werfen, sondern fesselt einen auch dadurch, dass die Interviewerin einen teilhaben lässt an ihren Gedankengängen während des Interviews. Darüber hinaus finde ich die Aussagen sehr spannend. Ein Text über Boshaftigkeit, Lebensentwürfe und Kunst – lesenswert!

3. In fremder Haut

Auch schon etwas älter, aber dennoch absolut lesenswert. Günter Wallraff beschreibt seine Erfahrungen als „Schwarzer“ in Deutschland. Wer die Chance hat, sollte sich den dazugehörigen Film Schwarz/Weiß ansehen, leider habe ich die Möglichkeit hier in Indien nicht. Dennoch ist das Thema nicht zu unterschätzen. Die Erzählungen von Wallraff erinnern mich an ein Gespräch mit Freunden, wo berichtet wurde, dass ein Verwandter mit afrikanischen Wurzeln tagtäglich die Diskriminierung in Deutschland erleben würde. Mit Befremden erzählte meine Freundin davon, dass – wie von ihrem Verwandten angekündigt – sie auf dem 5km langen Weg zum Bahnhof mit dem Auto tatsächlich von der Polizei „zur Kontrolle“ angehalten wurden.

Ich denke, noch schlimmer als der offensiv ausgelebte Rassismus von den verwirrten Rechten ist der unterschwellig gelebte Rassismus in unserer Gesellschaft, den auch Wallraff beschreibt. Wenige sind direkt unfreundlich und offen rassistisch, aber im Endeffekt werden Entscheidungen auf Grundlage der Hautfarbe getroffen. Wallraff selbst ist immer noch erstaunt darüber, dass die Leute, die zuerst versteckt gefilmt wurden, keine Probleme darin sahen, die Aufnahmen zu veröffentlichen. Das zeigt nicht nur ein fehlendes Problembewusstsein sondern vielmehr das diejenigen den Eindruck haben, dass ihr handeln gesellschaftlich akzeptiert wird – DAS ist das eigentlich Erschreckende.

Nun habe ich meinen indischen Freund – der bis vor kurzem in Berlin war – gefragt, ob er in seinen vier Monaten Situationen erlebt habe, wo er sich aufgrund seiner Hautfarbe diskriminiert fühlte. Erstaunlicher Weise nicht. Vielmehr erzählte er mir davon, dass die indische Gesellschaft viel rassistischer sei, als die Deutsche. So würden auch hier diejenigen mit deutlich dunkler Hautfarbe als „minderwertig“ angesehen, was sich auch im hier immer noch existierenden Kastensystem widerspiegelt. Egal wo, egal in welchem Zusammenhang und egal gegenüber wem, Rassismus an sich muss bekämpft werden und dabei ist eines besonders wichtig: „The watchers are the worst!“ hieß ein Theaterstück einer englischen Theatergruppe die mal an meiner Schule gespielt hat und das ganze auf den Punkt genau treffen. Wer zuguckt und nicht einschreitet, macht sich schuldig. Denn nur eine schweigende Mehrheit erlaubt es den Tätern, ungeschoren davon zu kommen. Es ist wichtig, aufzustehen, Courage zu zeigen und nicht wegzugucken. Wer wegguckt, unterstützt die Täter!

Der alltägliche Rassismus dagegen schafft es nur selten in die Zeitungen, was nicht bedeutet, dass er seltener ist. Er schafft es nicht über die Wahrnehmungsschwelle, er gehört zum deutschen Alltag fast so wie die rassistisch anmutenden Aussprüche von Politikern und selbst ernannten Meinungsführern, die mich immer wieder empört haben.

Und weg, euer Strothi

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