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Moin alle zusammen,

seit ich vor einiger Zeit mehrfach gefragt worden bin, ob ich denn jetzt nun auch die Piratenpartei wählen würde, habe ich drüber nachgedacht mal aufzuschreiben, warum dem nicht so ist und ich stattdessen die Grünen wählen werde. Heute nun haut nun die Blogosphäre (vollkommen berechtigter Weise) auf Matthias Güldner ein, den Fraktionsvorsitzenden der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft. Was ist passiert?

Die Causa Matthias Güldner

Nun, Herr Güldner hat gestern im Debatte Forum der WELT ONLINE und auf seiner Homepage einen unfassbar ignoranten und beleidigenden Eintrag zum Thema Internetsperren – ich möchte sagen – verzapft. Unter der Ãœberschrift „Die unerträgliche Leichtigkeit des Virtuellen“ begibt er sich auf die unterste Niveauebene und schlägt damit noch so einiges, was von den sowieso verwirrten CDUlern häufig zu lesen ist. Toll zum Beispiel seine Ausführung:

Ihre Anhänger kämpfen mit hoch effektiven Mitteln für die Rechtsfreiheit ihres Raumes.

oder auch

Wer Ego-Shooter für Unterhaltung, Facebook für reales Leben, wer Twitter für reale Politik hält, scheint davon auszugehen, dass Gewalt keine Opfer in der Realwelt fordert. Anders kann die ignorante Argumentation gegen die Internetsperren gar nicht erklärt werden.

Ganz abstrus ist aber der folgende Vergleich:

Da ist zum Beispiel das Argument, die Sperren könnten umgangen werden. Da haben sich einige wohl das Hirn herausgetwittert. Genauso gut könnte die Tatsache, dass Morde begangen werden, obwohl sie verboten sind, als Argument gegen den Mordparagraphen im Strafgesetzbuch angeführt werden

Na danke. Ich hab mir dann wohl das Hirn herausgetwittert, aber Güldner hatte wohl nie eins, was er heraustwittern hätte können. Anders kann ich mir so einen Kommentar, der einige hunderttausend Menschen pauschal die Fähigkeit zu denken abspricht, nicht erklären. Nun gut, viel will ich dazu gar nicht schreiben, denn das haben andere schon getan. Lesenswert ist sicher Jonnys Beitrag zum Thema, ebenso wie der von Markus und die Kommentare dazu. Gut auch der Eintrag von Sabrina im Brainweich Blog die im Gegensatz zu Sebastian von FalsePositiv nicht bei den Grünen deshalb austreten will. Bleibt noch anzumerken, dass sich sowohl der Bundesvorstand der Grünen wie auch der Bundesvorstand der Grünen Jugend mit Stellungnahmen eindeutig GEGEN den Beitrag von Herrn Güldner wenden.

Warum ich trotzdem die Grünen wählen werde

Nun, nachdem ich mich so klar gegen die Aussagen von Güldner ausgesprochen habe, werdet ihr euch vielleicht wundern, warum ich den Grünen nicht den gleichen Vorwurf machen wie der SPD – die Freiheit im Netz verraten zu haben – und mich dann also der Piratenpartei zuwende. Lasst mich zu Anfang festhalten, dass ich die Piratenpartei wirklich gut finde und viele ihrer Anliegen teile. Dennoch ist sie für mich keine politische Alternative zu den Grünen. Dies hat vor allem damit zu tun, dass die Grünen das für mich zentralste politische Thema – Umwelt- und Naturschutz – immer noch am besten vertreten und gleichzeitig – zu mindestens überwiegend – Ahnung von Netzpolitik haben. Natürlich kann man den Grünen vorwerfen, dass sie erst Stimmung gegen das Zugangserschwerungsgesetz gemacht haben und sich dann 15 Abgeordnete bei der Abstimmung enthalten haben. Auf der anderen Seite muss man dabei berücksichtigen, dass es bei den Grünen keinen Fraktionszwang gibt. Ein Instrument, was ich als Politologe äusserst abträglich für eine lebendige parlamentarische Demokratie halte. Das dann da also noch ein paar Zweifler sind, die es noch zu überzeugen gilt, nehme ich gerne in Kauf. Wichtiger ist mir, dass meine Stimme dazu beiträgt, dass umweltpolitische Themen nicht nur durch Phrasendrescherei der bekannten Politiker Aufmerksamkeit bekommt (Man denke da an den Slogan des „ökologischen Wachstums“ der SPD oder dem „nachhaltigen Wirtschaften“ der CDU), sondern auch tatsächlich in Politik umgesetzt wird. Zwei Themen die mir am Herzen liegen möchte ich dafür mal eben rausgreifen:

Der Klimawandel

Der Klimawandel ist das Paradebeispiel für eine Problem, was sich geschickt so lange verdrängen lässt, bis es zu spät ist und alle sich am Ende die Köpfe einschlagen werden. Das ist wie mit dem Frosch, der so lange im Wasser, das langsam erhitzt wird, sitzen bleibt, bis er stirbt. Aus heißem Wasser würde er raus hüpfen. Viele Menschen glauben immer noch, dass das mit dem Klimawandel doch gar nicht so schlimm sei. 2° mehr, wen stört das schon? Das es sich bei den 2° um das Wunschszenario handelt und bei fortlaufender Entwicklung wir eher bei 4-6° landen werden, ist wenigen klar. Auch nicht, dass die 2° sich auf die „globale Mitteltemperatur“ beziehen. Das heißt, im Durchschnitt wird sich die gesamte Erde erwärmen, das heißt aber nicht, dass die Erwärmung bzw. teilweise auch Abkühlung überall 2° betragen wird. Und wen wird der Klimawandel am schnellsten treffen? Die Entwicklungsländer! Genau, und dann sind wir auch schon bei globalen Gerechtigkeitsfragen, über die sich leider noch weniger Menschen bei uns Gedanken machen. Nur um euch das mal zu verdeutlichen, was der Klimawandel so innerhalb von einem Jahr verändern kann, guckt euch mal das Bild hier an:

Gefunden habe ich das gerade bei Klima-der-Gerechtigkeit und es zeigt die Auswirkungen globaler Erwärmung auf  das Abtauen der Polarkappen. Mehr Infos dazu im verlinkten Beitrag.

Atomkraft – Zukunfts- oder Dinosauriertechnologie?

Eins meiner anderen Lieblingsthemen ist die Atomkraft. Da kann man ja nun wunderbar drüber streiten. Leider wird dabei oft mit Argumenten hantiert, die so gar nicht stimmen. Eins davon ist, dass Atomstrom ja so wundervoll günstig sei. Ja gut, das trifft aber auch nur zu, wenn man alle externen Kosten raus rechnet ebenso wie die immensen Investitionskosten. Beispiel gefällig? Die französische AREVA (versucht) gerade im finnischen Olkiluoto einen Reaktor der dritten Generation zu bauen. Die sind nur mittlerweile einige Jahre hinter dem Bauplan und einige MILLIARDEN über dem vorgesehenen Budget. Nachlesen kann man das gut bei Nuclear Reaction oder auch bei Joe von Climate Progress – meinem Lieblingsblog in Sachen Klima und Umwelt. Wer jetzt so richtig interessiert ist, kann sich auch noch den Erfahrungsbericht von Mariah Blake vom Washingtion Monthly durchlesen – scary! Lustig auch der Versuch der Türkei, ein Atomkraftwerk bauen zu lassen. Dumm nur, dass niemand einen vernünftigen Preis pro kw/h anbieten konnte. Bzw. die Russen haben 21ct geboten, momentan zahlen wir so zwischen 4-6ct pro kw/h. Da soll noch mal einer ankommen und sagen, Atomkraft wäre günstig. Das Kostenargument gilt allerdings nur für neue Atomkraftwerke. An alten verdienen sich die Betreiber jedoch goldene Nasen.

Neben dem Kostenargument  gibt es noch zahllose andere Agrumente, von dem ich noch das der Sicherheit herausgreifen will. Neben den Vorkommnissen in und um Krümmel und anderen ist auch noch die Frage der Endlagerung bis heute nicht geklärt. Dies ist absolut unverantwortlich gegenüber den kommenden Generationen. Meistens wird dann auf Frankreich als Paradebeispiel verwiesen. Klasse, dumm nur, dass gerade die Franzosen große Probleme haben, weil denen ihre Atomkraftwerke eins nach dem anderen ausgeht. Warum? Weil es denen zu warm wird und die nicht mehr passend gekühlt werden konnten. Na, klingelt da was? Ach ja, Klimaerwärmung und so… Ja, dann würde ich auch vorschlagen, die Laufzeiten mal direkt zu verlängern, wie das in Frankreich gerade diskuttiert wird. Ist ja bisher alles gut gegangen – bis auf so kleine Problemchen…

Update 30.07.2009: Spiegel Artikel der einem Angst machen kann…

Schlussfolgerung

Nun denke ich, ist klar, warum ich die Grünen wählen werde. Ja, es gibt da netzpolitisch gesehen Potential nach oben – um es mal diplomatisch zu formulieren  – aber nur weil einige es noch nicht verstanden haben, ist das für mich keine Grund, die Grünen nicht zu wählen. Wichtig ist mir, dass alle – oder die Mehrheit – der Themen von der Partei abgedeckt werden, die mich interessieren. Und das ist bei den Grünen der Fall. Auch werde ich NICHT Rot-Grün wählen, weil ich da, wie wohl viele andere, einfach zu enttäuscht bin, von der Art und Weise, wie die SPD sich innerhalb der Großen Koalition zu netzpolitischen Themen – vielfach trotz dem Wissen um die Kritik –  verhalten hat. Ein Müntefering, der seine alte Schreibmaschine lobt und ein Döhrmann, der die Kritik so gar nicht nachvollzieht, sind Grund genug, dieses mal nicht die SPD zu wählen. Selten hat es eine Partei in meinen Augen geschafft, so energisch für ihre Wahlnierdelage zu kämpfen wie die SPD. Traurig, aber wahr.

Und weg, euer Strothi

Tags: Atomkraft, Grüne, Internet, Klimawandel, Piratenpartei, SPD, Umwelt